Von Null auf Hundert: „Es gehörte Mut zum Risiko dazu."

Christiane Claus, die erste Geschäftsführerin des Studentenwerkes Leipzig, spricht über die intensive Aufbauarbeit des Studentenwerkes nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990.
Christiane Claus Wiedergründung 30 Jahre Studentenwerk

Christiane Claus war die erste Geschäftsführerin des Studentenwerkes Leipzig, seit dessen Wiedergründung am 1. Juli 1991 – vor genau 30 Jahren. Sie wurde im November 1990 kommissarisch berufen, baute das Studentenwerk Leipzig auf und blieb bis 2001 im Amt.

„Wir waren einfach ein tolles Team, wir haben uns getraut.“ Das ist für Christiane Claus der Schlüssel für den Erfolg des Leipziger Studentenwerkes, das sie von Beginn an steuerte. „Die Zeiten waren so bewegt, dass es keine perfekten Lösungen gab. Es fehlten Antworten, viele Fragen stellten sich erst später.“ Also fuhren sie und ihr Team auf Sicht, als es darum ging, das Studentenwerk Leipzig zu gründen – und zuvor die entsprechenden Einrichtungen aus den Hochschulen herauszulösen.

„Ich komme ursprünglich aus der Gastronomie, deswegen hatte ich genügend Erfahrungen, um mich dieser Aufgabe zu widmen, das Studentenwerk aufzubauen.“ Claus hatte an der Leipziger Handelshochschule studiert, danach mehrere Jahre als Fachdirektorin Handel des Mitropa-Bezirksbetriebs Leipzig und u. a. ein halbes Jahr an der Universität im Bereich Mensen gearbeitet. „Zuletzt war ich persönliche Referentin des Verwaltungsdirektors, man kannte meinen beruflichen Hintergrund genau und sagte, ich sei prädestiniert für die Aufgabe.“

Ohne einen genauen Gründungstermin für das Studentenwerk zu kennen, ging sie ans Werk und stellte eine Führungscrew zusammen. Gemeinsam konzentrierten sie sich, im Gegensatz zu anderen in Gründung befindlichen Studentenwerken, allein auf jene Bereiche, die vom Gesetzgeber dem Zuständigkeitsbereich des künftigen Studentenwerks zugeordnet werden sollten; um Ferienheime und anderes kümmerten sie sich nicht. Die Hochschulen wurden selbst umstrukturiert – aus neun wurden sechs –, und Claus gliederte die entsprechenden Bereiche neu, plante Personal, Räumlichkeiten, Investitionsvolumen für die fertige Ausgründung. „Als Trockentraining haben wir einen Wirtschaftsplan aufgestellt, weil wir längst nicht über alle Informationen verfügten. Am Ende haben sich alle Studentenwerke Sachsens an Leipzig orientiert.“ Alle Studentenwerke Sachsens gründeten sich am gleichen Stichtag.

Christiane Claus
Christiane Claus ist heute Kanzlerin der Hochschule Bremen (Quelle: Hochschule Bremen / Sven Stolzenwald)

Zuerst saß das Studentenwerk im 18. Stock des Unihochhauses. Um Service und Beratung anbieten zu können, brauchte es neue Räumlichkeiten. Wie alle Wohnheime musste auch das ehemalige Wohnheim Jenny Marx komplett saniert werden, was nach ersten Kalkulationen zu einer vergleichsweise hohen Miete geführt hätte. Da die Flächen in der Innenstadt sehr nachgefragt waren, waren sich Claus und Universitätsleitung sehr schnell einig, an diesem Standort Verwaltungsgebäude inklusive aller Services für Studierende entstehen zu lassen, in dessen unteren drei Etagen das Studentenwerk und in drei oberen Servicebereiche der Universität einziehen sollten. „Wir wollten einen zentralen Anlaufpunkt für die Studierenden schaffen“, sagt Claus. „Von Null auf Hundert hat auch Vorteile: Schnell haben wir solide, IT-gestützte Dienstleistungsangebote unterbreitet und dadurch schnelle Abläufe gewährleistet. Da waren die Kollegen in den alten Ländern noch längst nicht soweit.“ Das Studentenwerk Leipzig hat sich bei der Lösung seiner Verwaltungsaufgaben sehr früh auf PC-Lösungen gestützt. „Ich sollte immer irgendwelche Großrechenanlagen von Kollegen aus den alten Bundesländern übernehmen“, so Claus. „Die nützten uns aber nichts, da weder das Personal mit der Programmiersprache umgehen konnte, noch waren sie technisch erweiterbar.  Wir haben mit PCs angefangen, weil das die Zukunft war, und waren die ersten. Unsere Beschäftigten waren so mit den spannenden Aufgaben beschäftigt und unsere Erfolge sprachen für sich, dass wir kaum wahrgenommen haben, wie gut wir waren. Nach ein paar Jahren kamen viele Kollegen und haben sich bei uns umgeschaut.“

Christiane Claus hat die gemeinsame Aufbauarbeit als sehr intensiv empfunden. „Es war spannend, Sachen auszuprobieren und im Zweifel eben zu korrigieren. Wenn etwas machbar schien, haben wir es einfach gemacht. Es gehörte Mut zum Risiko dazu. Ich habe mich immer verantwortlich dafür gefühlt, Risiken überschaubar zu halten, denn alles war besser als nichts zu tun.“

Christiane Claus studierte an der Leipziger Handelshochschule Diplomökonomie. Sie war die ersten zehn Jahre Geschäftsführerin des Leipziger Studentenwerks. Heute ist sie Kanzlerin der Hochschule Bremen.

Interview: Tobias Prüwer

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