„Da konnten wir nur im 300-Liter-Dampfkessel kochen – und gut.“


„Das werde ich Ihnen nie verzeihen, Herr Hoffmann!“ An solche Momente vor rund 30 Jahren denkt Gerald Hoffmann weniger gern zurück. Denn die Nachwendejahre waren nicht nur Zeiten des Aufbruchs. Für einige Menschen brachten sie gravierende Einschnitte wie den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Gerald Hoffmann wurde zur Neugründung des Studentenwerks auch damit beauftragt, notwendige Schritte und Personalgespräche zur Abwicklung einiger Teile in seinem Verantwortungsbereich umzusetzen. Denn die in der DDR an jeder Hochschule selbstständig agierenden Wirtschafts- und Sozialeinrichtungen wurden mit ihren rund 500 Beschäftigten ins Studentenwerk überführt. Der notwendige Fokus auf Wirtschaftlichkeit und Rationalisierung bedingte eine Straffung der Arbeitsplätze – und damit einen Abbau von Personal in den folgenden Jahren. „Bei Gründung war schon offensichtlich, dass es Kündigungen geben wird“, erinnert sich Hoffmann. Er organisierte mit, wer in Rente gehen konnte oder in Frührente. „Das war nicht immer einfach und auch schmerzhaft, wenn man dazu mit Mitstreitern sprechen musste, mit denen man schon viele Jahre zusammengearbeitet hat.“ Aber es waren notwendige Maßnahmen, für die zu diesem Zeitpunkt keine Alternativen bestanden.“ Und er erntete auch böse Blicke und Worte. Einmal wechselte ein Ehepaar die Straße, als sie Hoffmann begegneten.
„Eine schwere Umstellung war auch, als wir die Essensmarken abschaffen sollten und Essen frei anbieten. Wir wussten ja nicht, wie viel Essen wir verkaufen werden und mussten dann auch welches wegschmeißen. Die Sicherheit der Planwirtschaft war weg.“ Zumal auch die Geräte fehlten, dosierter zu kochen. „Da konnten wir nur im 300-Liter-Dampfkessel kochen – und gut.“
Wobei die Planwirtschaft für die Mahlzeitenzubereitung in den Mensen auch kein Wunschkonzert war. Der zentrale Einkauf wurde in der Hauptabteilung im Peterssteinweg erledigt. Es gab Kontingente nach Vorgaben, an die sich die Köche richten mussten. Es konnte also nicht jede Woche Schnitzel geben. Das machte das für die DDR so berühmte Improvisieren auch hier notwendig. Insgesamt war die Versorgung geprägt vom Mangel: Man bereitete zu, was da war – hungern musste niemand, so Hoffmann. „Im Vergleich zum Speiseplan der Gegenwart gab es mehr Eintöpfe, Hülsenfrüchte und Innereien, etwa Rezepte wie verlorene Eier, Leber- / Nierchenragout, Thüringer Topfbraten und Schweinebauch in unterschiedlicher Zubereitungsform.“

In der Zentralmensa wurden auch Veranstaltungen wie die Silvesterparty für die Bediensteten abgehalten. Das war nichts Ungewöhnliches, jeder Großbetrieb hat diverse saisonale Feiern für seine Angestellten organisiert, was dem Geist des Kollektivs entsprang, der über ein reines Arbeitsverhältnis hinausgehen sollte. „Bei den Partys konnten wir uns mit dem Interhotel messen.

An einen Luxus, den viele gar nicht wahrnahmen, erinnert sich Hoffmann schmunzelnd: „Längere Zeit wurde gutes Exportbier ausgeschenkt.“ Seit der Eröffnung 1973 war die Zentralmensa mit einer zentralen Tankanlage für die rasche Getränkeversorgung ausgestattet. Aus dem Tank kam auch Bier. Viele Jahre war das Wernesgrüner, das sonst als Exportgut in den Westen ging. „Die Studierenden tranken also gezapftes Bier, das man so nicht mal im Laden in der Flasche bekam bzw. nur als sogenannte „Bückware“ bekannt war.“
Schon als Schüler hat Gerald Hoffmann hinein geschnuppert in die Mensaarbeit. Seine dreijährige Kochausbildung in der Mensa begann er 1973. Nach einigen Arbeitsjahren besuchte er von 1978-81 die Fachschule für Gasstätten- und Hotelwesen und kehrte danach als Leiter der Zwischenversorgung – Zuständigkeitsbereich: Pausenversorgungsseinrichtungen / Essenausgaben / Gästehaus mit Restaurant + Hotel – zurück. Nach der Neugründung des Studentenwerks wurde er Mensabereichsleiter und schließlich Hauptsacharbeiter in der Abteilung Mensen & Cafeterien/ Zentraler Einkauf.
Zeitzeugeninterview: Tobias Prüwer
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