Hilda Mothes, geboren 1899 als Hilda Eilts im sächsischen Plauen, studierte in den 1920er Jahren an der Universität Leipzig Germanistik. In ihren Lebenserinnerungen schildert sie eindrücklich, wie die Mensa academica in den 1920er Jahren funktionierte und wie sehr sie die Mensa-Helferschaft um Kurt Mothes beeindruckt hatte; so sehr, dass sie selbst auch Teil der Helferschaft wurde. Während dieser Zeit kam sie mit ihrem späteren Mann Kurt Mothes zusammen, den sie 1929 heiratete. Kurt Mothes hatte sich in der Mensa-Helferschaft besonders engagiert und zog als dessen Vorsitzender die organisatorischen Fäden im Mensabetrieb. Hilda Mothes:

„Nach dem Tode meines Vaters 1919, dem Verlust seiner hohen Lebensversicherung durch die Inflation (die Zinsen sollten für eine Familie mit drei Kindern reichen und als die Banken trotz Protestes das Kapital auszahlten, konnte sich meine Mutter dafür lediglich ein Paar Schuhe und ein Pfund Pflaumen kaufen), meinem Abitur 1920 war an ein Studium überhaupt nicht zu denken. Miete und selbst zu zahlende Studiengebühren überstiegen die Gelegenheitsarbeiten meiner Mutter und meine Privatstunden bei weitem. So wollte ich Lehrerin in Neumünster in Friesland, der Heimat meines Vaters, werden und war auch dort schon von meinen in Bremerhaven lebenden Verwandten angemeldet. Aber in letzter Minute kam ich noch bei den wohlhabenden Verwandten meiner Mutter in Leipzig unter und konnte voll Dankbarkeit mein Studium beginnen. Eine Achtzimmerwohnung, zwei Hausangestellte, er Arzt (…), sie eine relativ gute Altistin, so verlebte ich dort mein erstes Studienjahr. Ihr einziger Sohn war Thomaner. (…) Ich besuchte einige Vorlesungen ohne jeglichen Kontakt mit anderen Studenten, paddelte viel auf der Pleiße oder ging auf dem Teich des Johanna-Parks Schlittschuhlaufen. Durch den plötzlichen Tod meines Onkels wurde alles anders.

Ich mußte mir ein Zimmerchen suchen, in der Mensa essen und um Preisermäßigung bitten (…). Schon vom ersten Mittagstisch an interessierten mich die Helfer, alles Studenten verschiedenster Fachrichtungen, die Mädchen in blauen Schürzen mit kurzen Ärmeln, die Männer, so erinnere ich mich, in gelben Jacken. Man kaufte sich Essensmarken an einem Fensterchen im Flur (…). Dann kam man an einigen ausrangierten Tischen mit Tischkästen vorbei, in die die Verbindungsstudenten ihre Mützen verbargen, wohl weil sie ihre Armut verheimlichen wollten. Dann ging es die Treppe hinauf in den großen Essensraum. Anstehen wie heute üblich bei uns gab es nicht. Man suchte sich einen Platz und hielt seine Essensmarke in die Höhe. Auf der linken Schmalseite mit dem Fahrstuhl zu der darunter liegenden Küche regierte Frau Kaposty. Studenten stellten ihr die schweren Eßtöpfe auf einen Schemel, Frau Kaposty füllte bereitstehende Schüsseln, etwas anderes gab es damals nicht, mit Essen, Helfer und Helferinnen trugen die Schüsseln zu den Wartenden und sammelten dabei ihre hochgehaltenen Eßmarken ein. Auf die andere Schmalseite des Saales wurden ebenfalls Kübel mit fertigem Essen gefahren und von der dort arbeitenden Helferschaft verteilt. Waren alle befriedigt, setzten sich die Helfer zusammen, aßen, zählten die Essenmarken und bündelten sie zu zehn Stück und kamen oft so ins Gespräch, daß, falls es am Nachmittag keine Kolloquien gab, man bis zum Abend beisammen saß; denn es gab auch einen Abendbrottisch, der aber weniger stark besucht war.

Als ich erfuhr, daß all diese Arbeit freiwillig geschehe, auch nicht bezahlt würde und man auf diese Weise Studenten aller Fakultäten kennenlernen würde, war mein erster Gedanke: Da gehörst du hin! Ich meldete mich bei einem, dessen Namen ich nicht mehr weiß, erfuhr, daß man erst darüber beraten müsse und nicht jeden aufnähme, der sich meldet. Nach einigen Tagen erfuhr ich, daß ich aufgenommen sei und sah nun auch den damaligen Leiter der Helferschaft, Kurt Mothes, den ich nur flüchtig aus der Oberrealschule in Plauen kannte. (…)
Vielleicht wurde er aus ähnlichen Gründen wie ich Mensahelfer und bald Leiter der gesamten Helferschaft.“

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Fotos: Leopoldina-Archiv, N 31/023-01-01, s. 35-39, 57